Architekt schuldet keine bauvertraglichen Regelungen für den Bauherrn (BGH. Urt. v. 09.11.2023 – VII ZR 190/22)

Sachverhalt

2010 beauftragte der Auftraggeber einen Architekten mit den Architektenleistungen der Objektplanung Gebäude Leistungsphasen 1 bis 8 gemäß § 33 HOAI (2009) für den Neubau eines Fabrikations- und Verwaltungsgebäudes. Der Architekt stellte dem Auftraggeber in der vermeintlichen Erfüllung seiner gemäß Leistungsphase 7 (Mitwirken bei der Vergabe) unter Grundleistung h) gem. Anlage 11 zu § 33 S. 3 HOAI 2009 geschuldeten Leistung zur Mitwirkung bei der Erteilung der Aufträge einen Bauvertragsentwurf mit einer vom Architekten formulierten Skontoklausel zur Verfügung, die der Auftraggeber in vier Bauverträgen verwendete. Im Rahmen eines Werklohnprozesses eines der Bauauftragnehmer stellte sich die Unwirksamkeit der Skontoabrede heraus, weshalb der Auftraggeber das einbehaltene Skonto an den Bauauftragnehmer in Höhe von EUR 125.098,75 inkl. MwSt. auszahlen musste. Der Auftraggeber wendet sich nunmehr an den Architekten und fordert die fehlende Ersparnis als Schaden ein. Der Architekt wendet ein, dass er keine vertragliche Pflicht schuldhaft verletzt habe, insbesondere sei die Klausel von einem Rechtsanwalt geprüft worden. Das Landgericht gab der Klage statt. Dass Berufungsgericht verneinte den vom Landgericht festgestellten Anspruch aus § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB. Der BGH hat das Urteil des OLG Stuttgart aufgehoben mit dem Hinweis, dass die Klage mit der Begründung der Berufungsinstanz nicht abgewiesen werden könne. Vielmehr kämen Schadensersatzansprüche des Auftraggebers nach § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB i. V. m § 3 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) u.a. wegen einer Verletzung des Rechtsdienstleistungsgesetzes in Betracht, weil der Architekt keine vertraglichen Regelungen erstellen dürfe.

Entscheidungsgründe

Der Architekt erbringt eine unerlaubte Rechtsdienstleistung, wenn er auf die Interessen des Bauherrn abgestellte Verträge entwirft, die ihn schadensersatzpflichtig nach § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB i. V. m § 3 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) machen, so der BGH in seinem Urteil vom 09.11.2023 (VII ZR 190/22) machen (können). Der Entwurf eines auf die Interessen des Bauherrn abgestellten Bauvertrages stelle eine unzulässige Rechtsdienstleistung dar. Zwar sei nach § 3 RDG die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen zulässig, wenn sie durch das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt werde. Die Erstellung von Verträgen, abgestimmt auf die Interessen des Bauherrn, stelle jedoch eine Rechtsdienstleistung nach § 2 Abs. 1 RDG dar, die nicht mehr durch den Erlaubnistatbestand gemäß § 5 Abs. 1 S. 1, 2 RDG oder durch das Architektenleistungsbild gemäß Anlage 11 Leistungsphase 7 Grundleistung h) zu § 33 S. 3 HOAI (2009) (= Anlage 10, Ziffer 10.1 Leistungsphase 7 Grundleistung h) zu § 34 Abs. 4 HOAI 2021) gedeckt sei. Für eine solche Rechtsdienstleistung gebe es nach der Meinung des BGH auch sonst keine Rechtfertigung.

Eine Rechtsdienstleistung nach § 2 Abs. 1 RDG ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine Prüfung des Einzelfalls erfordert. Hiervon wird jede konkrete Subsumtion eines Sachverhalts unter die maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen, die über die bewusste schematische Anwendung von Rechtsnormen ohne weitere rechtliche Prüfung hinausgeht, verstanden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es eine einfache oder schwierige Rechtsfrage sei. Die Gestaltung von Verträgen mit dem bauausführenden Unternehmen erfordert eine Prüfung im Einzelfall, ob die jeweiligen Bestimmungen der Interessenlage der Bauherren entsprechen.

Die Gestaltung von Verträgen ist auch nicht nach § 5 Abs. 1 S. 1 und 2 RDG erlaubt. Nach dieser Bestimmung sind Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit erlaubt, wenn sie als bloße Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Ziel dieses Erlaubnistatbestandes ist es einerseits, diejenigen, die in einem nicht spezifisch rechtsdienstleistenden Beruf tätig sind, nicht in ihrer Berufsausübung zu behindern und andererseits, den erforderlichen Schutz der Rechtssuchenden vor unqualifizierten Rechtsrat zu gewährleisten. Zwar ist es richtig, dass das Aufgabengebiet und das Berufsbild des Architekten in vielfacher Hinsicht Berührungen zu Rechtsdienstleistungen hätten, weil es zum Erreichen der vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele notwendig sein könne, über Kenntnisse des öffentlichen und privaten Baurechts zu verfügen und diese in der Beratung des Bauherrn umzusetzen. Es ist auch anerkannt, dass die Rechtsprechung z.B. von den Architekten nicht unerhebliche Kenntnisse des Werkvertragsrechts des BGB und der entsprechenden Vorschriften der VOB fordere (vgl. z.B. BGH, Urt. v. 26.04.1979 – VII ZR 190/78). Ferner fordere die Tätigkeit des Architekten ausdrücklich, den Bauherrn das planerische, wirtschaftliche und rechtliche Umfeld des Vorhabens zu erläutern und in diesem Zusammenhang die öffentlich-rechtlichen Vorschriften zum Planungs- und Bauordnungsrecht in seine Beratung einzubeziehen (vgl. u.a. BGH, Urt. v. 11.02.2021 – I ZR 227/19). Der Architekt dürfe jedoch nicht mit einem Rechtsberater des Bauherrn gleichgesetzt werden. Eine allgemeine Rechtsberatung wird von dem Berufsbild des Architekten nicht erfasst. Die Zurverfügungstellung einer Interessenlage des Bauherrn erstellten Vertragsentwurfs gehe über die typischerweise mit der Verwirklichung von Planungs- und Überwachungszielen verbundenen Aufgaben und damit über das Berufsbild des Architekten hinaus.

Auch das Leistungsbild gemäß Anlage 11 Leistungsphase 7 Grundleistung h) zu § 33 S. 3 HOAI (2009) schaffe keinen Erlaubnistatbestand für den Architekten zur Erbringung solcher Rechtsdienstleistungen. Zwar werde zu dieser Grundleistung in der Kommentarliteratur und Rechtsprechung vielfach vertreten, dass der Architekt verpflichtet sei, Verträge zu entwerfen bzw. sämtliche Vertragsunterlagen zusammenzustellen, die auf die Interessen des Bauherrn abgestellt seien. Um diese Verpflichtung zu erfüllen, müsse die Leistung in Anlage 11 zur HOAI 2009 jedoch einen Erlaubnistatbestand im Sinne von § 5 Abs. 1 RDG darstellen. Diese Meinungen verkennen jedoch, dass ein Erlaubnistatbestand nicht aus der HAOI abgeleitet werden könne, weil der Verordnungsgeber durch die Ermächtigungsgrundlage in Art. 10 Abs. 1 MRVG, welche ihn zur Aufstellung der HOAI berechtigt, nicht ermächtigt wurde, Erlaubnistatbestände für die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen im Sinne von § 3 RDG zu regeln. Die Ermächtigung beschränkte sich vielmehr darauf eine Honorarordnung für Ingenieure und Architektenleistungen zu erlassen. Die HOAI stehe zudem als Rechtsverordnung im Rahmen der Normenhierarchie unter dem Rechtsdienstleistungsgesetz als formellem Gesetz, weshalb nicht die rangniedrigere Regelung der ranghöheren Regelung einen Erlaubnistatbestand einräumen könne.

Selbst wenn der Architekt einen Bauvertrag zur Hand hätte, der von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens geprüft worden sei, ändert dies nichts an der Unzulässigkeit der Rechtsdienstleistung und der Nichtigkeit einer entsprechenden schuldrechtlichen Vereinbarung zwischen den Parteien, wonach sich der Architekt zur Erbringung solcher Leistungen verpflichten würde.

Fazit

Der Architekt schuldet nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes weder die Erstellung von Bauverträgen noch die Formulierung oder Ergänzung der Bauverträge um einzelne Klauseln. Der Architekt erfüllt seine Pflicht nach dem Vertrag, in dem er dem Bauherrn darauf hinweist, dass ihm eine solche Tätigkeit nicht erlaubt seien und der Bauherr sich insoweit deshalb an einen Rechtsanwalt zu wenden hätte. Auch Nachunternehmerkonstruktionen, wonach sich der Planer verpflichtet, für solche Leistungen einen Rechtsanwalt als Nachunternehmer einzuschalten, dürften damit unzulässig sein. Da entsprechende Beratungsleistungen auch nicht vom Versicherungsschutz des Architekten gedeckt sind, ist den Planern zu empfehlen, von diesem Hinweisrecht Gebrauch zu machen, und für den Fall, dass der Bauherr keinen Rechtsanwalt für die Erstellung von Bauverträgen hinzuzieht oder der Bauherr solche Bauverträge dem Architekten nicht zur Verfügung stellt, Behinderung anzuzeigen.