Bauhandwerkersicherheit muss bei Verträgen seit 01.01.2018 und Vergabe von Einzelgewerken auch von Verbrauchern gestellt werden!

Dr. Thomas Schwamb

Sachverhalt

Ein Ehepaar (Besteller) baut mit Hilfe ihres Architekten ein neues Einfamilienhaus auf ihrem Grundstück. Die Baukosten finanzieren sie zu ca. 1/3 mit Eigenkapital zu ca. 2/3 durch ein durch Grundschuld auf dem Grundstück gesichertes Bankdarlehen. Die Bauleistungen werden im Wege der Einzelvergabe an unterschiedliche Bau-Auftragnehmer vergeben. Nach weitgehender Fertigstellung des Rohbaus einschließlich Dach und Dacheindeckung sollen die Fenster eingebaut werden. Den Auftrag hierfür beläuft sich auf ca. EUR 80.000,00. Noch bevor der Fensterbauer (Unternehmer) auch nur ein einziges Fenster eingebaut hat, verlangt er unter Fristsetzung von zwei Wochen eine „Bauhandwerkersicherung gemäß § 650f BGB“ in Höhe der vollen Auftragssumme über ca. EURE 80.000,00. Zu Recht?

Lösung und Begründung des BGH

Leider ja! Die sogenannte Bauhandwerkersicherung war für bis zum 31.12.2017 abgeschlossene Verträge in § 648a Abs. 1 bis 5 BGB aF (alte Fassung) geregelt. Schon danach hatte der Unternehmer eines Vertrages über Bauleistungen, das vertraglich nicht ausschließbare Recht (§ 648a Abs. 7 BGB aF), auch ohne entsprechende Vereinbarung im Vertrag vom Besteller die dort näher geregelte Sicherheit in Höhe seiner vollen Auftragssumme zu verlangen. Die Regelung steht vor dem Hintergrund, dass der Unternehmer mit seinen Bauleistungen vorleistungspflichtig ist, also Zahlungen (Abschlagszahlungen und Schlusszahlung) erst verlangen kann, wenn er zuvor auf der Baustelle schon Leistungen erbracht hat. Allerdings sah § 648a Abs. 6 BGB aF jedoch u.a. folgenden Ausnahmefall vor:

„(6) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 5 finden keine Anwendung, wenn der Besteller

1. …, oder

2.  eine natürliche Person ist und die Bauarbeiten zur Herstellung oder Instandsetzung eines Einfamilienhauses mit oder ohne Einliegerwohnung ausführen lässt.

Satz 1 Nummer 2 gilt nicht bei Betreuung des Bauvorhabens durch einen zur Verfügung über die Finanzierungsmittel des Bestellers ermächtigten Baubetreuer.“

Diese Ausnahme Nr. 2 hätte nach früherem Recht dazu geführt, dass der Fensterbauer keine Handwerkersicherung hätte verlangen können.

Diese Rechtslage hat sich jedoch für alle seit dem 01.01.2018 abgeschlossenen Bauverträge geändert:

Im Rahmen des Gesetzes zur Reform des Bauvertragsrechts vom 28.04.2017 (Bundesgesetzblatt 2017 I S. 969 ff.), welches – mit Ausnahme einiger früherer Einzelbestimmungen (z.B. § 648a BGB aF) – den Bauvertrag erstmals eigenständig im BGB regelt, ist an die Stelle von § 648a BGB aF der neue § 650f BGB getreten, der für alle seit dem 01.01.2018 abgeschlossenen Bauverträge (Definition siehe § 650a BGB) gilt. § 650f Abs. 1 bis 5 BGB sind gegenüber § 648a Abs. 1 bis 5 BGB aF im Wesentlichen unverändert. Jedoch wurde die Ausnahme in § 650f Abs. 6 Nr. 2 BGB gegenüber § 648a Abs. 6 Nr. 2 BGB aF in ihrem Wortlaut erheblich verändert. § 650f Abs. 6 Nr. 2 BGB lautet jetzt:

„(6) Die Absätze 1 bis 5 finden keine Anwendung, wenn der Besteller

1.  …

2.  Verbraucher ist und es sich um einen Verbraucherbauvertrag nach § 650i oder um einen Bauträgervertrag nach § 650u handelt.

Satz 1 Nummer 2 gilt nicht bei Betreuung des Bauvorhabens durch einen zur Verfügung über die Finanzierungsmittel des Bestellers ermächtigten Baubetreuer.“

Verbraucherbauverträge nach § 650i Abs. 1 BGB „sind Verträge, durch die der Unternehmer von einem Verbraucher zum Bau eines neuen Gebäudes oder zu erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude verpflichtet wird.“

Beim Bau eines Hauses mittels Einzelvergabe der Baugewerke an unterschiedliche Unternehmer werden die einzelnen Unternehmer aber nicht „zum Bau eines neuen Gebäudes“ (und auch nicht „zu erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude“) verpflichtet, sondern nur zu einem oder mehreren Einzelgewerken (z.B. Aushub, Rohbau, Installationen etc. oder – wie hier – zum Einbau aller Fenster) anlässlich des Baus eines neuen Gebäudes (oder bei erheblichen Umbaumaßnahmen).

Seit Inkrafttreten des neuen § 650f BGB war deshalb in Literatur und Rechtsprechung umstritten, ob es sich dabei möglicherweise um ein Versehen des Gesetzgebers handelte, und ob die Worte „beim Bau eines Hauses“ nicht auch auf einzelne Gewerke (hier: Fenster) zu beziehen sind oder jedenfalls der Gedanke des Verbraucherschutzes erfordert, § 650f Abs. 6 BGB entsprechend nach wie vor auch auf den Fall der Errichtung eines Hauses durch Verbraucher im Wege der Einzelvergaben anzuwenden.

Diese Streitfrage hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Grundsatzurteil vom 16.03.2023 – VII ZR 94/22 nunmehr wie folgt entschieden:

„1. Um einen Vertrag mit einem Verbraucher, durch den der Unternehmer zum Bau eines neuen Gebäudes verpflichtet wird (Verbraucherbauvertrag im Sinne von § 650i Abs. 1 Fall 1 BGB), handelt es sich nicht, wenn sich der Unternehmer nur zur Herstellung eines einzelnen Gewerks verpflichtet, das im Rahmen des Baus eines neuen Gebäudes zu erbringen ist. (Rn.18)

2. Die Ausnahmevorschrift des § 650f Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 Fall 1 BGB findet in einem solchen Fall ebenfalls keine Anwendung. (Rn.30)“

In seiner Urteilsbegründung zeigt der BGH auf, dass es sich bei der Neuregelung weder um ein Versehen noch um eine Ungenauigkeit des Gesetzgebers handelt, sondern um eine bewusste Entscheidung. Über diese könnten sich die Gerichte nicht hinwegsetzen.

Fazit

Auch Verbraucher sind bei Bauvorhaben, die sie im Wege der Einzelvergabe errichten, verpflichtet, die von ihnen geforderte Bauhandwerkersicherung zu stellen. Hierbei reicht gegenwärtig regelmäßig die im vorliegenden Fall gesetzte Frist von zwei Wochen aus, wenn bei Ihnen keine besonderen Gründe vorliegen, die eine längere Frist als erforderlich und angemessen erscheinen lassen, auch wenn es bereits Stimmen in Rechtsprechung und Literatur gibt, die die Angemessenheit dieses Zeitraums als ausreichend anzweifeln. Bei der Finanzierung eines privaten Bauvorhabens ist künftig die Möglichkeit, dass einer oder mehrere Auftragnehmer eine Bauhandwerkersicherung fordern, mit zu berücksichtigen.